Im Sinne einer sinnvollen und erfolgreichen Integration von zugewanderten Kindern und Jugendlichen wurde an der Justin-Wagner-Schule zum 2. Schulhalbjahr 2014/15 eine Intensivklasse eingerichtet, in der als zentrales Fach Deutsch als Zweitsprache (DaZ) unterrichtet wird. Man spricht hier anstelle einer Fremdsprache von einer Zweitsprache, da das Deutsche in einem deutschsprachigen Land erworben wird und zum alltäglichen Gebrauch notwendig ist. Der Justin-Wagner-Schule kommt hierbei eine besondere Rolle zu, da sie als eine der ausgewählten Schulen mit der Einrichtung einer Intensivklasse einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration von Zuwanderern leistet.
Laut Hessischem Schulgesetz sollen „Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache […] so gefördert werden, dass sie befähigt werden, die deutsche Sprache in Wort und Schrift zu beherrschen, entsprechend ihrer Eignung gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen zu erhalten und zu den gleichen Abschlüssen geführt zu werden wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler deutscher Sprache“ (§45 VOGSV). Die Jugendlichen erhalten in der Intensivklasse ein bis zwei Jahre intensiven Deutschunterricht. Immer wenn ein weiteres Sprachniveau erreicht wurde, absolvieren sie einen international anerkannten Sprachtest, in dem die Kompetenzen Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben abgeprüft werden. Wenn es ihre Deutschkenntnisse zulassen, nehmen sie am Regelunterricht der Klasse teil, der sie zugeteilt werden. Hierbei werden die Altersstruktur, das soziale Gefüge in der Klasse sowie der Lernstand der Zuwanderer berücksichtigt. Die Integration in die Klasse erfolgt schrittweise, sodass zuerst an Fächern wie Sport, Kunst, Werken oder Musik teilgenommen wird. Anschließend folgen andere Fächer, bei denen zu erwarten ist, dass die Schülerinnen und Schüler dem Unterricht weitgehend folgen können. Das Ziel ist die vollständige Integration in die Klasse und damit auch in die Klassen- und Schulgemeinschaft.
Die Klassenleitung der Intensivklasse, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für diese Tätigkeit zugelassen ist, arbeitet eng mit allen Lehrkräften, die die Zuwanderer unterrichten, zusammen. So können Konflikte behoben, Probleme besprochen und Unterrichtsinhalte abgeglichen werden, sodass auch fachspezifisches Vokabular im Deutschunterricht vorentlastet werden kann, damit die Jugendlichen dem Regelunterricht besser folgen können. In regelmäßigen Abständen treffen sich die Lehrkräfte zu einer Evaluationsrunde, die die Qualitätssicherung des Unterrichts und die Optimierung aller Rahmenbedingungen zum Ziel hat. In den ersten beiden Schulbesuchsjahren werden laut Hessischem Schulgesetz die individuellen Leistungsfortschritte bei der Benotung berücksichtigt und auf sprachlich bedingte Defizite Rücksicht genommen. Im Fach Deutsch sowie in den Fächern, in denen sprachliche Aspekte von Bedeutung sind, kann die Fachnote durch eine verbale Beurteilung ersetzt oder ergänzt werden (§56 VOGSV). Da die Jugendlichen die deutsche Sprache als Zweitsprache erlernen, der Lernprozess also in deutschsprachiger Umgebung erfolgt, mündet das Lernen direkt in die alltägliche Anwendung, was sich positiv auf ihre Motivation auswirkt. Umgekehrt wird im DaZ-Unterricht kontinuierlich an das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler angeknüpft, sodass sie bereits im Alltag Erlerntes sinnvoll mit Neuem verknüpfen können. Es wird mit modernen, genau auf 10- bis 16-jährige Deutschlerner zugeschnittenen Lehrwerken gearbeitet, die durch individuelle Unterrichtsmaterialien ergänzt werden. Gemäß den neuesten gedächtnispsychologischen und sprachdidaktischen Erkenntnissen erfolgt anstelle von stupidem Auswendiglernen die sinnvolle kontinuierliche Schulung der vier Kompetenzen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben, wobei die erfolgreiche Kommunikation in deutscher Sprache im Vordergrund steht.
Wie in anderen Fächern auch ist jedoch eine gewisse Lernbereitschaft der Jugendlichen die Voraussetzung für das erfolgreiche Erlernen der deutschen Sprache. Im DaZ-Unterricht wird berücksichtigt, wie Wörter einer Zweitsprache im Gedächtnis verankert werden. Dies erfolgt beispielsweise durch themenspezifische Vernetzung. Dementsprechend wird der Wortschatz zu einem bestimmten Thema erarbeitet, von den Schülerinnen und Schülern in einer Mindmap festgehalten, mit Bildern versehen und als Wandposter aufgehängt. Die immanente Wiederholung der neuen Wörter, die für das Behalten unabdingbar ist, erfolgt durch Rätsel, Wortschatzspiele, gegenseitiges Abfragen und das Benutzen der neuen Wörter in einem kurzen Dialog, der von den Jugendlichen verfasst und vorgetragen wird. So werden gleichzeitig die mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit trainiert, grammatische Strukturen gefestigt, die Fantasie angeregt, die Teamkompetenz gefördert, die Aussprache verbessert und der Wortschatz erweitert. Um den verschiedenen Lerntypen im Sprachunterricht gerecht zu werden, werden möglichst viele Sinne beim Lernen neuer Wörter angesprochen: Ein neues Wort wird von der Lehrkraft vorgesprochen, an der Tafel festgehalten, wenn möglich als Bild oder Gegenstand gezeigt oder mit Hilfe einer Geste untermalt. Die Schülerinnen und Schüler sprechen das Wort nach und machen die Geste mit bzw. nehmen den Gegenstand selbst und verknüpfen das Wort mit anderen Wörtern des gleichen Zusammenhangs, die sie bereits kennen.
So wird durch eine möglichst hohe Schüleraktivierung die Voraussetzung für das nachhaltige Erlernen der deutschen Sprache geschaffen. Ergänzt wird das Unterrichtsgeschehen durch verschiedenartige Projekte, wie beispielsweise das gemeinsame Zubereiten eines typisch deutschen Gerichtes in der schuleigenen Küche. Hierbei werden in einer authentischen Sprachsituation kulturkundliche Aspekte vermittelt, die Aussprache verbessert sowie der Wortschatz erweitert. Wird das Kochrezept dann auch verschriftlicht, so wird die korrekte Orthografie trainiert sowie textstrukturierende Elemente angewandt. In naher Zukunft sind Theaterbesuche kurzer und vom Sprachniveau her angepasster Theaterstücke und die Einbeziehung von Lektüren in den Unterricht geplant. Im Rahmen der Projekttage soll ein kleines Theaterstück erarbeitet, eingeübt und aufgeführt werden. Neben dem regulären Deutschunterricht in der Intensivklasse gibt es spezielle DaZ-Förderprogramme, um allen Schülerinnen und Schülern der Justin-Wagner-Schule gerecht zu werden, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
Carolin Carbone